1898 - in Lorsch gründet sich einer neuer Gesangsverein
Die Gründung am 21. August 1898, Gasthaus ‚Goldener Stern‘*. Die acht anwesenden Herren waren sich einig: Germania soll der neue Gesangsverein heißen. Mit diesem Namen ging man an die Öffentlichkeit und versammelte sich nur 6 Tage später erneut – diesmal im ‚Weißen Ross‘** -, um den Vorstand zu wählen. Zum ersten Vorsitzenden wurde Jakob Albert bestimmt, Vertreter war Adam Schiffel, der von 1925-29 den Vorsitz innehatte. Im Verlauf der Sitzung legte man die Vereinsstatuten fest.
*heute: Paulusheim; **heute: Weißes Kreuz
Die Vereinsstatuten – erste ‚Satzung‘ der Germania:
50 Pfennig sind beim Vereinseintritt zu entrichten – bis zum 1. September ist der Eintritt frei. Der wöchentliche Beitrag für aktive Sänger beträgt 5 Pfennig, passive Mitglieder zahlen 20 Pfennig monatlich. Unentschuldigtes Fehlen in der Gesangsstunde wird mit 10 Pfennig bestraft. Zum Ausschluss kommt es nach dreimaligem Fehlen. Aktives Mitglied kann nur werden, wer sich bei Gesangsproben als geeignet erweist. Mit Verachtung wird bestraft, wer bei der dreijährigen Pflichtmitgliedschaft vorzeitig den Verein verlässt. Auch ist das Singen eingeübter Lieder in anderen Lokalen als dem Vereinslokal streng verboten. Bei der Beerdigung eines Mitglieds, gleich ob aktiv oder passiv, haben alle Sänger teilzunehmen, Fehlen wird hier mit 50 Pfennig bestraft. Der Vorstand wird jährlich neu gewählt. (Allein die letzte Regelung hat sich bis in unsere Zeit ‚hinübergerettet‘.)
Die Gunst des freien Eintritts bis zum 1. September hatten 45 Sänger genutzt und diese gelten laut Statut als Gründer der Germania.
Die Fahnenweihe – das große Fest zu Anfang
Der Beschluss der Germania-Versammlung am 8. Oktober 1899 eine Vereinsfahne zu erwerben, führte neben der Einrichtung einer Fahnenkasse zu reger Sammelaktivität. Jeder zahlte mehr als seinen Obolus von 5 Pfennig pro Woche und nach drei Sammelrunden in der ersten Hälfte 1900 waren 869,62 Mark zusammengekommen. Die Vereinsfahne wurde bestellt und ein Fest zur Fahnenweihe organisiert.
Am 17. bis 19. Juni 1900 fand die Fahnenweihe unter Beteiligung zahlreicher örtlicher und auswärtiger Vereine statt. Festplatz war der Lorscher Kaiser-Wilhelm-Platz. Es wurde einiges geboten: Fackelzug, Festumzug, Festball, Konzert mit Volksbelustigung, letzteres im Wald in der ‚Hügeltränke‘. In der Festrede, gehalten von Herrn Lehrer Menke, heißt es: „Lasten die schweren Sorgen dieses Erdenlebens mit Zentnergewicht auf uns, und erdrücken schier jeden Mut und alle Lebenslust, ein frisches, frohes Lied verscheucht gar oft alle Unlust und Traurigkeit und verleiht neue Hoffnung und frischen Mut.“
Nach der Enthüllung der Fahne von ‚Fräulein‘ Maria Metz war die Germania Lorsch mit 250 Mitgliedern und über 40 Sängern zum etablierten Gesangsverein geworden.
Probleme mit den Dirigenten
Das Jahr 1900 scheint, wenn man die Ereignisse um die Fahnenweihe außer Acht lässt, ein recht normales Jahr für einen Gesangverein gewesen zu sein. Ganz frisch im neuen Jahr und Jahrhundert veranstaltete MGV Germania eine Abendunterhaltung mit Liedvorträgen und einem Ball, Generalversammlung war am 21. Januar, Teilnahme an einer Fahnenweihe in Fehlheim, im Sommer ging es bei einem Ausflug nach Hambach und in der Weihnachtszeit gab es erneut eine Abendunterhaltung mit 14 Liedern.
Im Hintergrund war das Vereinsgeschehen jedoch etwas komplizierter. Nach nicht einmal zwei Jahren als musikalischer Leiter entschloss sich der Gründungsdirigent Bäcker Wilhelm Ludwig die Germania zu verlassen. ‚Er sein auf listige Art entführt worden‘, so der Chronist und macht dafür den ‚Bruderverein‘ Liederkranz verantwortlich. Merkwürdigerweise wird dort aber Wilhelm Ludwig erst 1910 als Dirigent aufgeführt.
Als untadlig werden die musikalischen Leistungen sowohl von Ludwig als auch von seinem Nachfolger Balthasar Röhrig, seit Sommer 1900 – einem hauptberuflichen Dirigenten mehrerer Musikvereine -bezeichnet. Allerdings nachdem bekannt wurde, dass Röhrig Notenblätter der Germania auch bei anderen Chören einsetzt, erfolgte seine Entlassung. Ab März 1910 war zunächst Johannes Reisinger als Aushilfe bis Juni 1911 tätig. Dann erfolgte das Engagement von Lehrer Steffen, gleichzeitig Leiter des Kirchenchores St. Nazarius, der 1920 mit einer Ehrenurkunde ausgestattet seinen Dienst beendete. Nach zwei weiteren Intermezzi, Lehrer Müller 1920-22 und Bäcker Nikolaus Ludwig 1922-23, startete Lehrer Nau mit der musikalischen Leitung. Nach dem von ihm geforderten Beitritt des MGV Germania zum Deutschen Sängerbund kann die Gründungszeit des Vereins als abgeschlossen betrachtet werden. Es begann eine neue Ära mit der ersten Teilnahme an einem Wettbewerbssingen am 25. Mai 1924 in Heppenheim.
Germania in Zeiten der Krisen des frühen 19. Jahrhunderts
Der erste Weltkrieg bedeutete für alle Gesangsvereine in Lorsch eine Zäsur. Zwar dürfte die patriotische Begeisterung anfänglich groß gewesen sein, doch bald wurden viele Sänger eingezogen und das Vereinsleben ruhte bis zum Kriegsende. Zwei der Sänger, Jakob Schiffel und Jakob Gallei, kehrten aus dem Krieg nicht mehr zurück. Opfer forderte auch das Chemie-Unglück der BASF am 21. September 1921. Unter den mehr als 560 Todesopfern dieser gigantischen Explosion waren auch Germania-Sänger, Adam Helmke und Georg Köhl.
Veränderungen gab es vereinsintern. Die Inflation nach dem ersten Weltkrieg führte dazu, dass die Dirigenten zeitweise kein festes Salär erhielten. Vielmehr wurde in jeder Singstunde zusammengelegt und die Sammlung dem Dirigenten zugeteilt.
Das 25-jährige Jubiläum im 26-zigsten Vereinsjahr
In diesen unruhigen Zeiten war es wohl nicht immer einfach einen singfähigen Chor beisammenzuhalten. Jedoch sorgte ein stabiler Kern dafür, dass die Sängerzahl wieder anwuchs. Als dann der Germania-Chor sich beim 25-jährigen Jubiläumsfest zum Gruppenfoto versammelte, waren daran 54 Sänger beteiligt. Man hatte die Jubiläumsfeier in das Jahr 1924 gelegt. Die Renten-Mark erwies sich in diesem Jahr wieder als stabil, so dass man es wagen konnte, ein Fest in den Dimensionen der Fahnenweihe, also mit Umzug, Ansprachen, Festball und Volksbelustigung, zu veranstalten. Die Festtage erstreckten sich über das Wochenende vom 20. Juli 1924. Der Sonntag begann mit einem Weckruf, dann Gottesdienst, Abholung der auswärtigen Vereine am Bahnhof, Totengedenken auf dem Friedhof mit Ansprachen. Nachmittags der Festzug durch ‚alle‘ Straßen Lorschs zum Festplatz (Sportplatz Olympia). Im großen Festzelt die Festrede von Rektor Graf umrahmt von Festjungfrauen, Vereinsgründern, dekoriert mit den Fahnen aller Vereine.Es folgte die Ernennung der ersten Ehrenmitglieder der Germania (aktiv: Adam Schiffel, Ludwig Fischer, Valentin Vetter, Joseph Kienle; ‚passiv‘: Johann Volk, Stefan Jäger). Diese Ernennung wurde von der Ehrendame ‚Fräulein‘ Anna Schiffel vorgenommen. Danach Liedbeiträge. Am Abend der Festball ‚unter reger Beteiligung der Lorscher Bevölkerung‚, ‚der sich in schönster Harmonie bis zum Morgen hinauszog‘. Montags Volksbelustigung. Die ganze Jugend Lorschs sei auf dem Festplatz erschienen. ‚Hier wurde mit der dankbaren Jugend Scherze wie Sacklaufen, Baumklettern, Wurstschnappen, Eierlaufen und Karusellfahren getrieben.‘
Nur eine Woche später, am 27. Juli, waren die ‚Festdamen‘ und aktiven Sänger, wohl als Dankeschön für die Beteiliung ins Wirtshaus ‚Zur Germania‘ geladen worden – Vereinslokal war damals übrigens das Gasthaus ‚Zum Bahnhof‘.Während den Damen Kaffee und Kuchen angeboten wurde, erhielten die Herren Bier ‚verabreicht‘.
Die folgenden Jahre segelte das Vereinsschiff in ruhigem Fahrwasser – von der Entlassung des Kassenwarts im Jahr 1925 aufgrund von Unregelmäßigkeiten abgesehen. Unter dem Dirigat von Lehrer Nau, der stets mit dem Fahrrad aus Kleinhausen anreiste, wurde jährlich an einem Gesangswettbewerb teilgenommen. Die Zahl der Sänger blieb dabei stabil. Daneben Familien- nd Theaterabende organisiert.
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